Anfrage zu Verdachtsfälle sexueller Gewalt gegen Minderjährige im Kreis Paderborn

Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten
OWL-PB

Nach dem Missbrauchsskandal in Lügde unternahm der WDR eine Umfrage (s. www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/wdr-jugendamt-erhebung-100.html) bzgl. der Anzahl an Verdachtsfällen sexueller Gewalt gegen Minderjährige sowie der Planstellen im Allgemeinen Sozialen Dienst um die Fallrelation ermitteln zu können. Nach Einsicht in die Umfrage des WDR werden für den Kreis Paderborn für diese beiden Kennzahlen keine Angaben gemacht. Da die Durchschnittswerte der Fallrelation in dieser Umfrage über dem von der Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst empfohlenen Fallzahlobergrenze liegt und diese auch in vielen Fällen weiter überschritten wer-den, ist es im Interesse aller, diese Zahlen für den Kreis Paderborn zu erfragen.

Des Weiteren geht aus einem Zeitungsartikel der Neuen Westfälischen vom 1. Mai 2019 hervor, dass das Paderborner Jugendamt den Fall Lügde zum Anlass nahm, ihre Arbeitsweise zu überprüfen. Gerade weil aus der Untersuchung des WDR keine Rückschlüsse auf die Personalsituation in Paderborn gezogen werden können und auch unter Kenntnisnahme, dass nicht nur ein Personalmangel, sondern auch eine schlechte Fachkultur Anlass für Versäumnisse sein kann, würden uns der Stand der Überprüfung der Arbeitsweise interessieren. Gerade der Schutz von Minderjährigen darf nicht unter dem Spardiktat leiden.

In diesem Zusammenhang stellte die Kreistagsfraktion DIE LINKE./Piraten nachstehende Fragen:

  • Inwiefern werden Verdachtsfälle sexueller Gewalt gegen Minderjährige im Kreis Paderborn erfasst und wie hoch waren diese Zahlen in den letzten drei Jahren? Falls diese Zahlen nicht gesondert erfasst werden, unter welcher Kennzahl werden diese Fälle subsumiert und wie hoch waren diese in den letzten drei Jahren?
  • Wie stellt sich diese Zahl von Verdachtsfällen oder die vergleichbare Kennzahl im Verhältnis zu den Planstellen im Allgemeinen Sozialen Dienst im Jugendamt des Kreises Paderborn im Jahr 2018 und den letzten drei Jahren dar?
  • Inwiefern wird bezugnehmend auf den Missbrauchsskandal im lippischen Lügde die Arbeitsweise im Paderborner Jugendamt überprüft (vgl. NW, 1. Mai 2019), wurde diese Überprüfung bereits durchgeführt und wenn ja, wie lauten die Ergebnisse?

Verbleib: 

Am 29.05.2019 antwortete die Kreisverwaltung auf die Anfrage der Fraktion mit der Drucksache 16.1227/1 wie folgt:

Zu Frage 1.)
Die Verdachtsfälle sexueller Gewalt gegen Minderjährige sind in der Gefährdungsstatistik enthalten und in den Geschäftsjahren 2017 und 2018 nicht differenziert ausgewertet worden. Es ist lediglich auswertbar, das sich Vermutungen von sexuellem Missbrauch in jeweils vier Fällen bestätigt haben.

Seit 2019 werden auch als Konsequenz von Lügde die Meldungen zu Vermutungen und Ergebnis der Risikoeinschätzung getrennt erfasst.

In der Zeit vom 01.01. bis 15.05.2019 sind beim Kreisjugendamt Paderborn insgesamt 15 Meldungen mit Verdacht auf sexuellen Missbrauch eingegangen, die 20 Kinder betrafen. in acht Fällen ergaben sich keine Hinweise auf einen xesuellen Missbrauch, in 6 Fällen läuft der Klärungsprozess noch. Ein Fall wurde aufgrund der örtlichen Zuständigkeit an ein anderes Jugendamt weiter gegeben.

Zu Frage 2.)
Der Stellenbedarf der ASD-Kinderschutzdienste wurde auf der Grundlage seiner Leistungen, des Qualitätshandbuches für den Kinderschutz ("Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährdung", Hilfen zur Erziehung und "Berichterstattung für Familiengerichte"), auf der Basis der Geschäftsjahre 2016 und 2017 neu festgelegt. Hieraus resultierte ein Stellenzuwachs im Stellenplan 2019 um acht Stellen. Vier Stellen wurden bereits vorab im Jahr 2018 im Wege der Dringlichkeit besetzt.

Ein aussagekräftiger Vergleich der Arbeitsbelastung der Fachkräfte für den Kindesschutz setzt eine vergleichbare Organisation und vergleichbare Organisationsstandarts voraus. Aus Sicht des Kreisjugendamtes Paderborn ist es überaus wünschenswert, hier vergleichbare Systeme auf Landesebene oder Bundesebene zu entwickeln. Aktuell bestehen diese indes noch nicht. Allein in NRW arbeiten 180 Jugendämter mit unterschiedlichen Aufgabenzuweisungen und auch Qualitätsstandards in den jeweiligen Aufgabenbereichen. Deshalb ist es auch auf eine Teilnahme an der in der Anfrage benannten WDR-Umfrage verzichtet worden. Die jetzt vom WDR publizierten Zahlen können sich also nicht auf den Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes beziehen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um Angaben des Stadtjugendamtes Paderborn handelt.

Ausgehend von dem hier zugrunde liegenden Aufgabenprofil sowie der Qualitätsstandards des Kreisjugendamtes Paderborn für den Kindesschutz ergibt sich eine durchschnittliche Fallbelastung pro Fachkraft von 35 Fällen Hilfe zur Erziehung, fünf Gerichtsfällen und 15 Fällen Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährdung analog Verfahren nach § 8a SGB VIII, im Gesamtdurchschnitt also eine Fallbelastung von 55 Fällen je ASD-Kinderschutzfachkraft im Geschäftsjahr 2018 (laufende Fälle zum 31.12.2018 und beendete Fälle im Geschäftsjahr 2018, also keine Stichtagerhebung)

Zu Frage 3.)
Zur Strukturqualität des Kindesschutzes im Kreisjugendamt gehört u.a. ein jährliches internes Audit insbesondere zur Überprüfung und Weiterentwicklung des Qualitätsstandards Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährung.
Aufgrund der Aktualität wird das Verfahren zum Vorgehen bei Vermutungen und Verdachtsfällen zum sexuellen Missbrauch auch mit den Kooperationspartnern (z.B. Polizei) besonders ausgewertet.

Für die Untersuchung der Arbeitsqualität im Kindesschutz (Struktur- und Prozessqualität) wird in Kürze ein zusätzliches internes Audit in Auftrag gegeben werden. Über deren Erkenntnisse wird der Jugendhilfeausschuss unterrichtet werden.