Tag der Befreiung in Gütersloh: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“

Friedensinitiative Gütersloh/OWL
OWL-GT

Den 8.Mai, den 75. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, nutzte die Friedensinitiative Gütersloh/OWL, um auf die aktuellen Gefahren durch Rechtsextremismus und Aufrüstung aufmerksam zu machen. Rund zwei Dutzend Teilnehmende und zahlreiche Interessierte kamen deshalb auf dem Berliner Platz in Gütersloh zusammen.

Als erster Redner erinnerte Rainer Westphal von der Attac Regionalgruppe Gütersloh an die weltweit mindestens 65 Millionen Tote des Krieges, an die Millionen Menschen, die dem Rassenwahn der Nazis und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zum Opfer fielen. „Die ersten, die die Nazis in Folterkeller und Konzentrationslager steckten waren Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Ihnen folgten aufrechte Deutsche aus Bürgertum und dem Adel und Geistliche aller Konfessionen, die sich für Freiheit und Menschenwürde einsetzten,“ so Rainer Westphal. Der 8. Mai sei der Tag all derjenigen zu gedenken, die Widerstand leisteten, sich auflehnten, nicht verstummten und Verfolgten halfen. Es ist der Tag die Befreier vom Faschismus und die Mutigen, die der Barbarei im Kleinen wie im Großen widerstanden haben, zu würdigen.

Camila Cirlini, stellvertretende Sprecherin DER LINKEN im Kreis Gütersloh, zitierte aus einem Text von Kurt Nelhiebel, der unter dem Pseudonym Conrad Taler über die Deutschen und das Kriegsende schrieb. Im kollektiven Bewusstsein der Deutschen sei der 8. Mai als Tag des Kriegsendes verankert, nicht aber als Tag der Befreiung. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen war mit dem Regime verbunden, wie sollten sie da dessen Untergang als Befreiung empfinden? Befreit gefühlt haben sich dagegen all jene, die Widerstand leisteten, die politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern und die vielen anderen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Es waren aber die Vertreter des Nationalsozialismus, die in der Bundesrepublik in führende Positionen zurückkehrten. Schon 1952 forderte Bundeskanzler Konrad Adenauer deshalb: „Ich finde, wir sollten mit der Naziriecherei mal Schluss machen.“

Hubert Kniesburges, Vorsitzender des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock, gedachte der 65.000 Menschen, die nur wenige Kilometer von Gütersloh entfernt in Stukenbrock-Senne im sowjetischen Kriegsgefangenenlager Stalag 326 ermordet wurden. Hubert Kniesburges: „Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind und bleiben auch unsere Befreierinnen und Befreier. Doch das aber scheinen einflussreiche Kreise in unserem Land vergessen machen zu wollen. In Politik und Medien gehört „Russen-Bashing“ zum tagtäglichen Ton.“ Zu Fragen sei, warum nach dem Leid, das durch deutsche Schuld den Menschen in der ehemaligen Sowjetunion zugefügt wurde, die Freundschaft zu den Menschen in Russland nicht zu einer Staatsdoktrin unseres Landes wird, so wie das nach den Morden an sechs Millionen Juden durch Deutsche mit dem jüdischen Volk der Fall ist.

Anschließend trug Uschi Kappeler, Sprecherin des Kreisverbandes DIE LINKE Gütersloh und Aktivistin der Friedensinitiative OWL, die Gedichte „Wiederholbare Feststellung“ des österreichischen Lyrikers Erich Fried und „Das Gedächtnis der Menschheit“ von Bertold Brecht vor.

Alle Rednerinnen und Redner sehen die Früchte des 8. Mai gefährdet. Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antiziganismus – alle möglichen Ideologien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur. Unbarmherzig treten Teile unserer Gesellschaft Geflüchteten gegenüber, gewaltsame Übergriffe werden duldet. NSU, Lübke-Mord, der Anschlag von Halle, Neofaschistinnen und Neofaschisten in Polizei, Spezialeinheiten und Bundeswehr zeigen die Verstrickung der Rechten bis in staatliche Strukturen hinein. Zugleich werden Grundrechte immer weiter eingeschränkt.

Auch der Nachkriegskonsens: „Es soll nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen“ wurde gebrochen. Deutschland ist wieder Krieg führendes Land. Es ist geschichtsvergessen, wenn erneut Weltmachtgelüste die deutsche Politik bestimmen und Aufrüstung und Militärmanöver von Russland erneut als Bedrohung empfunden werden müssen. Frieden geht nur mit Russland, nicht gegen Russland.

Rainer Westphal fasste die Ziele der Teilnehmenden zusammen: „Es ist und bleibt unsere Aufgabe, aktiv einzutreten für das Ziel eines gerechten, friedlichen, solidarischen Deutschlands, einem Land, das keine Soldaten in andere Länder schickt sondern zivile Helfer, keine Rüstung exportiert, ein Land, das faire Handelsabkommen mit Ländern in Asien und Afrika abschließt, damit dort alle Menschen ein lebenswerte Zukunft finden. Ein Land, das offen ist für Flüchtlinge, das keinen Fremdenhass kennt, keine Diskriminierung Andersgläubiger oder von Minderheiten. Ein Land, das wirklich ernsthafte Schritte zur Verhinderung einer Klimakatastrophe unternimmt und die zunehmende soziale Spaltung in Arm und Reich gezielt aufheben will.“