Tönnies-Genehmigung: DIE LINKE im Kreistag Gütersloh stellt die Zuständigkeit des Kreises Gütersloh infrage. Die Aufhebung der Genehmigung ist zu prüfen.

DIE LINKE. im Kreistag Gütersloh
GT KT AnträgeOWL-GT

Nach ergiebigen Recherchen bestehen von uns erhebliche Bedenken, ob überhaupt die zuständige Behörde den Genehmigungsbescheid erlassen hat. Die beantragte Anlage ist Teil eines Betriebsbereiches im Sinne der Störfall-Verordnung. Dies liegt daran, dass die vorhandene Ammoniak-Kälteanlage einen Gesamtgehalt von 50 Tonnen Ammoniak überschreitet.

Der Genehmigungsbescheid hierfür ist wahrscheinlich am 7.9.2016 erlassen worden und am 4.12.2016 rechtskräftig geworden. Dies ist deshalb von Bedeutung, da wir die Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) so verstehen, dass in der neuen wie in der alten Fassung die Bezirksregierung für die Genehmigung von Anlagen bzw. ihrer Änderungen zuständig ist, die Teile eines Betriebsbereichs sind. Das wäre bei dem
hier vorliegenden Schlachthof der Fall.

Allerdings dürfte umstritten sein, ab wann ein Betriebsbereich vorlag – mit Erlass der Genehmigung oder deren Rechtskraft. Sollte dieser Zeitpunkt der Erlass der Genehmigung sein, wäre der Kreis Gütersloh auf jeden Fall unzuständig gewesen. In diesem Fall könnte dies zur Aufhebung der Genehmigung führen. Der Kreis selbst versucht diese Problematik zu umgehen, indem er auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der geänderten Kälteanlage im Juli 2017 abstellt. Das ist auf jeden Fall zu spät, hat für den Kreis aber den Vorteil, dass der Zeitpunkt nach der Einreichung des Antrags liegt und damit die Unzuständigkeit der Bezirksregierung und die Zuständigkeit des Kreises begründen soll.

Aber selbst wenn ein Betriebsbereich erst nach der Antragstellung begründet wurde, ist die Zuständigkeit des Kreises äußerst fraglich. Denn § 6 ZustVU stellt auf Rechtsänderungen – d.h. in diesem Fall Gesetzes- oder Verordnungsänderungen – ab, bei denen die ursprüngliche Zuständigkeit (bei Einreichung des Genehmigungsantrags) erhalten bleibt.
Geht man davon aus, dass ein Betriebsbereich erst mit der Rechtskraft der Genehmigung vorlag, wäre das Tönnies-Areal erst nach der Einreichung des neuen Genehmigungsantrags von Tönnies in die Pflichten der Störfall-Verordnung „hineingewachsen“. Dies wäre aber nicht aufgrund einer Gesetzes- oder Verordnungsänderung erfolgt, sondern aufgrund der Genehmigung der Kälteanlage. Diese faktische „Hineinwachsen“ wäre aus unserer Sicht kein Grund für die Beibehaltung der ursprünglichen Behörde, sondern für einen Wechsel zur Bezirksregierung. Dass sich auch der Kreis hierbei unsicher ist, zeigt, dass er hierfür eine Rechtsauskunft der
Bezirksregierung Detmold eingeholt hat.

Selbst wenn dies anders wäre, würde dies nicht die Zuständigkeit des Kreises begründen. Denn diese würde nur für Verfahren gelten, „in denen am Tage des Inkrafttretens der Änderung die vom Antragsteller einzureichenden Unterlagen vollständig vorliegen“. Dies war hier aber nicht der Fall, da ausweislich des Genehmigungsbescheides der Antrag
erst mit den Nachträgen vom 27.8.2018 und 24.9.2018 komplettiert wurde.
Damit konnte die Ausnahmeregelung keine Anwendung finden – die
zuständige Behörde wäre die Bezirksregierung Detmold gewesen.

Ein Fehler bei der Auswahl der zuständigen Behörde kann auch nicht pauschal als unbeachtlich gemäß § 44 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) erklärt werden. Denn unbeachtlich wäre lediglich die Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, nicht jedoch über die instanzielle Zuständigkeit. Die Entscheidung einer falschen Instanz kann zumindest die Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides begründen.

2. UVP-Vorprüfung

Bei der hier vorliegenden Vorprüfung handelt es sich um eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls. Eine Vorprüfung besteht in einer überschlägigen Prüfung, ob ein Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Dabei darf gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die zuständige Behörde nicht durch eine übermäßige Ermittlungstiefe der Vorprüfung die UVP vorwegnehmen.

Die vorgelegten umfangreichen Gutachten erwecken dabei den Eindruck, dass genau dies hier geschehen ist. Dass in der Bekanntmachung der UVP-Vorprüfung sogar auf Auflagen in der Genehmigung Bezug genommen wurde (Abwasserbehandlung), verstärkt den Eindruck eines unzulässigen „Durchprüfens“. Dies gilt auch für das Geruchsgutachten, bei dem nicht die bloße überschlägige Prüfung der Notwendigkeit nachteiliger
Umwelteinwirkungen erfolgt ist, sondern das Thema vollständig abgehandelt wurde.

Dass „durchgeprüft“ wurde legt auch der Satz nahe: „Die Belastbarkeit der Schutzgüter des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UVPG (alt), insbesondere des Schutzgutes Mensch, wird durch das o.g. Vorhaben nicht weiter beansprucht.“ Das ist nicht das Ergebnis einer Vorprüfung, sondern einer UVP.

Demgegenüber zeigt die Darstellung der abgehandelten Probleme bei der UVP-Vorprüfung, dass relevante Problemkreise existieren, die eine UVP erforderlich gemacht hätten.

Die Behörde hat die Vorprüfung anscheinend auch nicht bis zum Zeitpunkt der Auslegung der Antragsunterlagen vorgenommen, sondern erst kurz vor Erlass des Genehmigungsbescheides durchgeführt. Dies ist ausgesprochen ungewöhnlich.


3. Störfall-Verordnung

Gemäß dem Genehmigungsantrag berücksichtigt Tönnies zur Bestimmung der Pflichten der Störfall-Verordnung lediglich die Mengen an Ammoniak in der Ammoniak-Kälteanlage. Diese begründen einen Betriebsbereich der unteren Klasse. Hierbei bleibt sogar unklar, wie groß die Ammoniak-Menge ist.

Eine systematische Betrachtung der sonstigen, möglichen gefährlichen Stoffe gemäß der Stoffliste des Anhangs I der Störfall-Verordnung ist hingegen unterblieben. Diese könnte möglicherweise einen Betriebsbereich der oberen Klasse begründen. In diesem Fall hätte ein Sicherheitsbericht erstellt und mit den Genehmigungsunterlagen ausgelegt werden müssen.
Zudem wären weitergehende Pflichten zu erfüllen gewesen.

Zudem hätte sich die Betrachtung nicht lediglich auf die im Normalbetrieb vorhandenen Stoffe beziehen dürfen. Gemäß der Definition des Betriebsbereichs in § 3 Abs. 5a BImSchG ist zur Mengenberechnung gefährlicher Stoffe auch auf den Brandfall abzustellen, insbesondere bei Lagern. Hinweise, wie das erfolgen kann, gibt der Leitfaden der Kommission für AnlagensicherheitKAS- 43: Empfehlungen zur Ermittlung der Mengen gefährlicher Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen
www.kas-bmu.de/kas-chronologische-reihenfolge.html

4. Bestimmtheit des Genehmigungsbescheides

Ein Genehmigungsbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet, das genau festgelegt sein muss, was mit welchen Mitteln zu erfolgen hat. Vage, allgemeine oder nichtssagende Formulierungen erfüllen diese Anforderung nicht. Insofern genügt die Auflage F) 1., die auf unbestimmte innerbetriebliche und organisatorische Maßnahmen
abstellt, nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz