Anfrage zum neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

DIE LINKE/Die PARTEI - Kreistagsfraktion Paderborn
OWL-PB

Seit dem 10.06.2021 ist das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft und beinhaltet weitreichende Änderungen. Leider ist das Gesetz in seiner Gänze hinter den angekündigten Versprechungen und Erwartungen zurückgeblieben. Ein Grund mehr das Feld der Kinder- und Jugendpolitik besonders im Auge zu behalten. Dazu hat die Kreistagsfraktion DIE LINKE/Die PARTEI eine Anfrage an die Kreisverwaltung gestellt.

Die Anfrage vom 24. Januar 2022:

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

seit dem 10. Juni 2021 ist das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft und beinhaltet weitreichende Änderungen. Dazu stellen wir nachfolgende Fragen mit der Bitte um schriftliche Beantwortung:

  1. Welche Veränderungen sind mit dem neuen KJSG für das Jugendamt verbunden und wie werden sie umgesetzt?
  2. Ist der Verwaltung bekannt, wann es von der Landesseite ein Ausführungsgesetz NRW geben wird?
  3. Werden die Mitarbeiter:innen der Verwaltung zu den Auswirkungen des KJSG geschult?
  4. Wie gewährleistet die Verwaltung den im Gesetz verankerten Beratungsanspruch?
  5. Nach § 9a KJSG sollen erstmals unabhängige und nicht fachlich weisungsgebundene Ombudsstellen errichtet werden. Es ist wichtig, dass diese Ombudsstellen gut erreichbar und barrierefrei sind. Da das Nähere dazu das Landesrecht regelt, stellt sich die Frage, wie die Verwaltung in diesem Sinne Einfluss nimmt?
  6. Rechnet die Verwaltung mit höherem Verwaltungsaufwand durch das Gesetz? Wenn ja, werden diese Kosten als erhöhter Aufwand in den HH eingestellt?
  7. 2022 endet das „Gute Kita Gesetz“ und damit die finanzielle Unterstützung. Wie gewährleistet die Verwaltung, dass die Bereitstellung der Kindertagesbetreuung, die den höchsten Kostenanteil hat, nicht zu Lasten der Jugendhilfe geht?
  8. Ergeben sich aus Sicht der Verwaltung nach der neuen Formulierung des § 41 KJSG neue oder andere Interpretationsspielräume beim Leistungszugang für junge Volljährige, oder wird weiterhin diese Hilfe äußerst sparsam gewährt?

 

Mit freundlichen Grüßen

Manuel Leyva
Fraktionsvorsitzender


Antwort vom Amt 51 (Kreisjugendamt) vom 02.02.2022 (DS-Nr. 17.0445):

Die LINKE.Die PARTEI hat als Kreistagsfraktion eine Anfrage zu dem am 10.06.2021 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz gestellt, die sich aus beigefügtem Fragenkatalog ergibt:


zu 1.) Schwerpunkte des KJSG sind die erweiterte Beratung, Prävention und Koordination (§ 10a SGB VIII), Jugendsozialarbeit in Schulen (§ 13a SGB VIII), Beteiligung von Geheimnisträgern an der Risikoeinschätzung (§ 8a, Abs. 1, S. 2, SGB VIII), Schutzkonzepte für Kinder in Pflegefamilien, Heimen und in der Tagespflege, die zweite Chance für Careleaver und junge Volljährige sowie langfristig die Inklusion mit der Zusammenführung der Eingliederungshilfe in die Jugendhilfe (ab 2024 Verfahrenslotsen, ab 2028 nur noch Jugendhilfeleistungen für Kinder mit Behinderungen, nähere Regelungen über ein späteres Bundesgesetz).
Die Umsetzung erfolgt im Zusammenwirken der Verwaltung des Jugendamtes mit dem Jugendhilfeausschuss. Die Gesetzesveränderungen und ihre Auswirkungen sind in einer Informationsveranstaltung am 24.01.2022 ausführlich im Jugendhilfeausschuss des Kreises Paderborn beraten worden.

zu 2.) Das Land Nordrhein-Westfalen beschließt voraussichtlich im März 2022 ein Kinderschutzgesetz NRW, das als Ausführungsgesetz zum KJSG verstanden werden kann.

zu 3.) Die Gesetzesänderungen sind Bestandteil der Schulungspläne. Die qualitativen Anforderungen sind somit in der planmäßigen Personalentwicklung des Jugendamtes berücksichtigt.

zu 4.) Die Beratungsstandards insbesondere zur erweiterten Beratung des § 10 a SGB VIII werden im Sinne des gesetzlichen Anspruchs der Hilfen aus einer Hand überprüft. Auch bisher haben sich die Berater des Jugendamtes in diesem Zusammenhang bereits als „Lotsen“ zwischen unterschiedlichen Hilfesystemen und Zuständigkeiten verstanden.

zu 5.) Für die Einrichtung von landesweiten Ombudsstellen ist das Land Nordrhein-Westfalen zuständig. Es ist zu erwarten, dass insbesondere über die Landesjugendämter die Verbindung zur Praxis vor Ort hergestellt wird. Hierzu ist bereits ein Fachtag des Landesjugendamtes im März 2022 anberaumt, bei dem auch das Kreisjugendamt Paderborn vertreten sein wird. Im Kinderschutzgesetz NRW ist von einer Konkretisierung der Umsetzung durch das Land NRW auszugehen. Im Land Niedersachsen sind beispielsweise über eine zentrale Landesombudsstelle regionale Ombudsstellen eingerichtet worden, die mit Juristen besetzt werden.

zu 6.) Im Wesentlichen verändern sich durch das KJSG die Qualitätsansprüche für die freie und öffentliche Jugendhilfe. Darüber hinaus kann es insbesondere durch einen erhöhten Personalaufwand in der Beratung/Prävention, durch die Qualitätsverpflichtung für die Jugendsozialarbeit in Schulen/Schulsozialarbeit, durch die verpflichtende koordinierte Steuerung der sozialen Frühwarnsysteme im Zusammenwirken mit einer Landesstelle für die Qualität im Kindesschutz sowie auch durch den Einsatz von Verfahrenslotsen in der Eingliederungshilfe (ab 2024) zu erhöhtem Personalaufwand kommen. Sollte dieser erhöhte Personalaufwand von Dauer sein, wird er über den Stellenplan für den Haushalt des Jugendamtes angemeldet.

zu 7.) Mit dem Gute-Kita-Gesetz hat der Bund Finanzmittel zur Verfügung gestellt, um in der Zeit von 2019 bis 2022 die Qualität in der Kinderbetreuung zu verbessern. Der Bund hat mit jedem Bundesland eine Vereinbarung geschlossen, für welche Maßnahmen die Mittel jeweils verwendet werden sollen. NRW stehen aus diesem Fonds ca. 1,2 Mrd. Euro zur Verfügung, mit denen folgende Schwerpunkte finanziert werden: Flexibilisierung der Betreuungszeiten, Qualifizierung von Fachkräften, Stärkung der Fachberatung, zusätzliche Finanzierung von Leitungsstunden, Unterstützung von benachteiligten Kindern und Familien, Stärkung der Kindertagespflege, Weiterentwicklung der Familienzentren und finanzielle Entlastung der Familien durch ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr.
Der Bund hat sich in einem Kabinettsbeschluss vom Juli 2019 dazu verpflichtet, auch über 2022 hinaus seine Verantwortung für eine gute Kinderbetreuung in Deutschland wahrzunehmen. Es gibt bisher keine Informationen darüber, ob und in welchem Rahmen dies umgesetzt werden soll. Das Land NRW hat die o.g. Qualitätsverbesserungen inzwischen in das Kinderbildungsgesetz NRW übernommen. Damit haben sie Bestand, auch im Hinblick auf die Finanzierung. Es ist nicht davon auszugehen, dass mit einer Erhöhung des Finanzierungsanteils der öffentlichen Jugendhilfe zu rechnen ist.

zu 8.) Die Frage impliziert eine äußerst sparsame Hilfegewährung durch das Kreisjugendamt Paderborn. Grundlage für die Hilfegewährung auch für junge Volljährige sind nach den gesetzlichen Vorgaben die „Notwendigkeit“ und „Geeignetheit“ von Maßnahmen, die bei jungen Volljährigen insbesondere für eine erfolgreiche Zielerreichung auf eine verbindliche Mitwirkung ausgerichtet sind. In diesem Zusammenhang unterstützt der Kinderschutzdienst hilfsbedürftige junge Volljährige grundlegend im Sinne einer Befähigung zur notwendigen Mitwirkung, damit geeignete Hilfeangebote auch wirksam werden können. Dieser Grundsatz macht deutlich, dass es Ziel der Jugendhilfe ist, junge Menschen zu fördern und zu fordern, damit eine erfolgreiche Verselbständigung erzielt werden kann.