Berlin und Ankara Seite an Seite gegen Demokratie und Emanzipation

DIE LINKE. Kreisverband Gütersloh

Auf reges Interesse stieß eine Informationsveranstaltung zur Lage in der Türkei am Freitagabend im Alevitischen Kulturverein Gütersloh. Zuvor forderte DIE LINKE mit einer Kundgebung auf dem Martin-Luther-Platz und einem Protestmarsch durch Gütersloh das Ende des von der türkischen Regierung entfachten Krieges. Die Bundestagsabgeordnete Inge Höger, die zugleich Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages ist, Emine Gözen von der kurdischen Fraueninitiative für Frieden und eine Vertreterin des autonomen Frauenflügel des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan YXK berichteten.

Bereits während ihrer Reise im Herbst letzten Jahres war die Lage der Menschen im Südosten der Türkei katastrophal, berichtete Inge Höger. Bei den Parlamentswahlen im Juni hatte die Linkspartei HDP durch ihr gutes Abschneiden die absolute Mehrheit von Erdogans Partei AKP verhindert. Das Erdogan-Regime antwortete mit dem Abbruch der seit über 3 Jahren vielversprechend laufenden Friedensverhandlungen zwischen türkischer Regierung und kurdischen Parteien. Militär, Polizei und Sondereinheiten begannen massiv gegen die kurdische Bevölkerung vorzugehen. Zugleich wurde die gesamte demokratische Oppositon mit Verhaftungen, der Mobilisierung faschistisch-islamistischer Terrorbanden und zahlreichen bis heute unaufgeklärten Terroranschlägen angegriffen. Trotz der schweren Menschenrechtsverletzungen besuchte Kanzlerin Merkel kurz vor den Neuwahlen im November Erdogan. Die EU hielt ihren Bericht zur Lage der Menschenrechte in der Türkei vorsätzlich bis nach den Wahlen zurück. Dank Merkel, EU und Terror brachten die Neuwahlen Erdogans AKP die absolute Mehrheit.

Nach den Wahlen eskalierte die Lage weiter, so Emine Gözen. Bis zu 1,3 Millionen Menschen in 17 Städten sind von einer Ausgangssperre betroffen. Die türkische Armee beschießt die Städte. Medizinische Hilfe und der Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln werden blockiert. Inzwischen sind 200.000 Menschen auf der Flucht. Die Zahl der getöteten Zivilisten geht die Hunderte. Allein in der Stadt Cizre wurden die verbrannten Leichen von 158 Menschen gefunden. Darunter Verwundete, Frauen und Kinder. Auch im Nordirak und in Syrien beschießt und bombadiert die Türkei Städte und Dörfer. Neben der Rache für die verlorenen Wahlen im Juni sieht Emine Gözen noch zwei andere Gründe für die Eskalation. Zum einen die rassistische, nationalistische und frauenfeindliche Haltung der türkischen Regierung verbunden mit deren Akzeptanz des sogenannten „Islamistischen Staates“. Zum anderen die ideologische Feindschaft zwischen dem autoritären Regierungsmodell der Türkei und der demokratischen Selbstverwaltung in den kurdischen Gebieten. Dort wird versucht eine Gesellschaft ohne die Unterdrückung von Frauen und Ethnien und die Zerstörung der Umwelt aufzubauen.

Über den Aufbau dieser Selbstverwaltungsstrukturen berichtete dann die Vertreterin der kurdischen Studierenden. Nach dem Scheitern des „Realsozialismus“ und der nationalen Befreiungsbewegungen wendete sich die PKK von ihrem Ziel des kurdischen Nationalstaates ab. Bereits ab dem Jahr 2004 wurden in den Städten Cizre und Amed (Diyarbakır) die ersten Bürgerräte und Stadtteilräte gebildet. Ziel sind Basisdemokratie, Geschlechterbefreiung und eine kommunale, kooperative Ökonomie. Durch Repression und Verhaftungen versucht der türksiche Staat diese Strukturen zu zerstören. Um dies zu verhindern wurden Sebstverteidigungseinheiten gebildet. Als Beispiel erfolgreicher Selbstorganisation erzählte die Studentin vom Frauenrat in der ostürkischen Stadt Van. Der Frauenrat baut dort nicht nur Kindergärten und Kooperativen auf, er führt auch Kampagnen gegen Unterdrückung, Vergewaltigung und häusliche Gewalt.

Was bringt es auf die Straße zu gehen?“. Diese Frage wurde in der anschließenden Diskussion gestellt. Die Komplizenschaft zwischen der Bundesregierung und dem türkischen Regime scheint unerschütterlich. Deshalb muss das Thema in die Öffentlichkeit. Weitere Kundgebungen, Demonstrationen und Veranstaltungen werden deshalb folgen.