Gülle-Unfall in Bockhorst: Versmolds unappetitliche Seite

DIE LINKE. Kreis Gütersloh

Mit dem Slogan „Versmold macht Appetit“ wirbt die Stadt. Weniger charmant wird Versmold auch als „Wurstküche Westfalens“ oder gar als „Fettfleck Deutschlands“ bezeichnet. Seit Jahrzehnten bildet die Fleischwarenindustrie die Basis des Versmolder Wohlstandes und sichert viele Arbeitsplätze. Der Austritt von 200.000 Liter Gülle aus zwei Gülle-Hochbehältern am Dienstagabend in Bockhorst zeigt die unappetitliche Kehrseite. Der Unfall ereignete sich auf einem Betrieb mit 200 Milchkühen und 200 Kälbern. Dank des Einsatzes von Feuerwehr und Landwirten scheint der Unfall für die Hessel, das Naturschutzgebiet Versmolder Bruch und das Grundwasser glimpflich auszugehen. Aber es bedarf derartiger Katastrophen gar nicht, um unser Wasser zu vergiften.

Der „Fleischatlas“ der Heinrich-Böll-Stiftung bescheinigt dem Grundwasser in weiten Teilen des Kreises Gütersloh einen „schlechten Zustand“. Mit mehr als 50 mg Nitrat je Liter Wasser überschreitet es den aktuellen Grenzwert laut der deutschen Trinkwasserverordnung. Dafür verantwortlich sind Gülle, Mineraldünger und Gärreste aus Biogasanlagen. Ein „guter Zustand“ findet sich nur im Norden und im Südosten des Kreises. Ein großer Teil der Ems läuft durch den „schlechten Zustand“.

http://www.nw.de/nachrichten/regionale_politik/20684543_Fleischatlas-warnt-vor-hohen-Nitratwerten-im-Grundwasser.html

Der Kreis Gütersloh sollte besonderen Wert auf gutes Grundwasser legen. Denn nirgends in NRW gibt es so viele Privatbrunnen wie im Kreis Gütersloh. Mehr als 28 % der Privatbrunnen in NRW liegen im Kreis Gütersloh. Von den 15.000 Brunnen im Kreis weisen 825 erhöhte Nitratwerte auf. Die Reduktion des Nitrats zu Nitrit führt zur Bildung von krebserregenden Nitrosaminen. Besonders gefährdet sind Säuglinge. https://www.wassertest-online.de/blog/nitrat-im-grundwasser-brunnen-wdr/

Es wäre zu einfach allein die Landwirte als Brunnenvergifter anzuklagen. Die Landwirte handeln im Spannungsfeld von politischen Vorgaben und betriebswirtschaftlichen Zwängen. Zugleich sind sie der Marktmacht der Nahrungsmittelindustrie und des Einzelhandels ausgeliefert.

Alle Bürgerinnen und Bürger entscheiden im Rahmen ihrer Möglichkeiten über ihr Konsumverhalten. Wer oft und billig Fleisch und Wurst auf dem Teller haben will trägt maßgeblich zur Situation bei.

Die Bürgerinnen und Bürger sind es auch, die mit ihrem Verhalten den politischen Rahmen beeinflußen. Wichtiges politisches Werkzeug sind die EU-Agrarsubventionen. Es gibt inzwischen viele Auflagen und ein Teil der Mittel fließt in „Agrarumweltmaßnahmen“. Ein Blick auf die 152 Empfänger von EU-Agrarsubventionen in Versmold zeigt aber, dass auch viele Betriebe subventioniert werden, die nicht für eine nachhaltige Landwirtschaft stehen. Auf der Seite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung kann eingesehen werden, wer wie viel erhält. http://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/afig/Suche

Die Umstellung auf eine nachhaltige, regional, saisonal und ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft kostet Geld und verteuert die Produkte. Der radikale Umbau der Agrarsubventionen ist also ebenso unumgänglich wie eine Stärkung der Kaufkraft der Verbraucher. Löhne und Renten, aber auch Sozialleistungen müssen derart bemessen sein, dass sich jeder eine Ernährung leisten kann, die gesund und ausgewogen ist und die Rechte von Tieren und den Naturschutz achtet.