Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner in Deutschland: Von Hitlers KZ in Adenauers Gefängnisse

Uschi Kappeler, Michael Pusch

Zum 60. Jahrestag des KPD-Verbotes zeigte die Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW in Gütersloh den Dokumentarfilm "Verboten-Verfolgt-Vergessen". Daniel Burkholz lässt Menschen ihre Geschichte erzählen, die in der Adenauerzeit Opfer politischer Verfolgung wurden. Ihr Vergehen: Sie engagieren sich gegen die Wiederbewaffnung oder für die Wiedervereinigung Deutschlands. Unter dem Tatbestand der "Staatsgefährdung" wurde gegen 200.000 Menschen ermittelt. Etwa 10.000 wurden zu teils langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Menschen, die in den Konzentrationslagern der Nazis saßen, wurden wieder als Staatsfeind*innen betrachtet und so behandelt. Oftmals von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern, die ihr Handwerk in der Nazizeit gelernt hatten. Zur Anwendung kamen nicht nur das 1951 verschärfte politische Strafrecht, sondern auch Gesetze aus der Nazizeit. Erst jetzt, 60 Jahre nach den fragwürdigen Prozessen, wird den Betroffenen Akteneinsicht gewährt.

Nach dem Film folgte eine rege Diskussion mit der Bundestagsabgeordneten Inge Höger. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.

Noch 1947 schrieb die CDU in ihrem Ahlener Programm: Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“

Inge Höger: „Allen war klar, dass es Banken und Konzerne waren, die Hitler zur Macht verholfen hatten. Es war unvorstellbar, sich noch einmal der Herrschaft des Großkapitals zu unterwerfen und von Deutschland aus Krieg zu führen. Die ersten Maßnahmen der Besatzungsmächte betrafen die restlose Zerschlagung der deutschen Wehrmacht und die Demobilisierung der Truppen, die Beseitigung der Waffenarsenale und die Übernahme der Kontrolle über die deutsche Rüstungsindustrie. In Deutschland sollten Großindustrielle und Großbanken keine Rolle mehr spielen. Die Forderungen waren eindeutig: ‚Nie wieder Krieg!‘ und ‚Nie wieder Faschismus!‘. Spätestens 1948 setzte sich das Interesse der USA an der Eindämmung der Sowjetunion durch. Im März 1949 verkündete Adenauer den Beitritt des westdeutschen Staates zur NATO als eines der wichtigsten Ziele der ersten westdeutschen Regierung. Die mit der Gründung der Bundesrepublik und der Währungsreform begonnene Spaltung Deutschlands wurde so vertieft.“

Nach 1950 regierten CDU/CSU, FDP, die rechtsgerichtete Deutsche Partei DP und der „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ das Land. Theodor Oberländer, der schon im November 1923 den Hitlerputsch unterstützte, war von 1953–1960 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Bereits seit 1951 hieß es in der Bundesrepublik: Nazis wieder rein und Antifaschist*innen wieder raus aus dem Staatsdienst. Besonders betroffen von Berufsverboten und Verhaftungen waren Kommunistinnen und Kommunisten. In der Justiz, aber auch in Wirtschaft und Politik, in Wissenschaft, Bildung, Kultur und Medien, überall waren alte Nazis wieder in Amt und Würden. Als Kriegsverbrecher verurteilte Banker und Industrielle kehrten an die Schalthebel der Macht zurück. Jetzt sollten Generäle und tausende Offiziere der Wehrmacht die Bundeswehr aufbauen. Ein Friedensvertrag und Wiedergutmachung waren kein Thema mehr.

Zur Sprache kam auch die Kontinuität antikommunistischer Ideologie in Deutschland. Darin waren sich die Herrschenden vom Kaiserreich, über die Weimarer Republik, den Faschismus, die Adenauer-Zeit bis hin zum Radikalenerlass unter Kanzler Willy Brandt einig.

War Adenauers Politik dennoch zu vertreten oder gab es eine Alternative zur Wiederaufrüstung und zur Teilung Deutschlands? Was wurde aus dem Angebot der Sowjetunion eines wiedervereinigten, neutralen und entmilitarisierten, aber dennoch kapitalistischen Deutschland? Auch darum ging es in der Diskussion.

Die Unterdrückung der Opposition in der Adenauer-Ära erinnerte viele an das aktuelle Vorgehen des türkischen Despoten Erdogan. Dazu passt eine Meldung des Spiegels: „In der jungen Bundesrepublik herrschten türkische Verhältnisse: Kanzler Adenauer und seine Minister stellten Hunderte Strafanträge wegen ‚politischer Beleidigung‘.“